1. Tag: Samstag, der 24.10.2020
Es war noch dunkel über Bayerns Landeshauptstadt, als sich in aller Frühe eine 12-köpfige Crew am Schätzschen Anwesen in Münchens Süden traf, um gemeinsam den Weg gen Süden einzuschlagen. Alle Teilnehmer hatten sich in der Vorwoche auf Corona testen lassen und man hoffte, das Virus würde nicht als blinder Passagier mitreisen. Corona blieb daheim und das wichtigste (Essen und Bier) war schon am Vortag in den Hänger geladen worden. So wurden schnell noch die, von der kurzen Nacht, müden Seemänner und -Frauen in die VW-Busse geladen und man brach pünktlich auf. Auf der Fahrt gab es zwei verschiedene Herangehensweisen, um mit dem Schlafmangel umzugehen. Während im Bus von Michi die Ruhe vor dem Sturm herrschte und alles schlief, war bei Olli im Auto durchaus schon gute Stimmung vorhanden und Roland Kaiser grölte in voller Lautstärke aus den Boxen. Dieser Roland Kaiser sollte im Musikmix von Team Dalissa durchaus eine wichtige Hauptrolle spielen, wie sich im Laufe der Woche herausstellte. Ansonsten verlief die Fahrt einigermaßen ereignislos, wenn man mal von gelegentlich auf der Motorhaube abgestellten und anschließend vergessenen Wasserflaschen absieht…
Durch die frühe Abfahrt erreichte man bereits gegen 15Uhr nachmittags den Heimathafen unserer Schiffe in Veruda bei Pula. Nachdem die Schiffe ordnungsgemäß von den Skippern übernommen waren und die Crewmitglieder ihre Kojen bezogen hatten, neigte sich der Tag bereits dem Ende zu. Doch die beiden Besatzungen hatten noch Großes vor und man folgte dem Ruf Neptuns und stach bei strömenden Regen in die dunkle See. Das Ziel war klar definiert, man wollte keine Zeit verlieren und am nächsten Morgen so weit südlich, wie möglich aufwachen. Es sollte eine ereignisreiche Nacht werden. Der Wind wurde mit der Zeit stärker und durch den wolkenverhangenen Himmel war es stockdunkel. Mit der Zeit baute der Wind eine gewisse Brandung auf. Aufgrund der Dunkelheit konnte man die von hinten kommenden Wellen kaum erkennen. Das Schiff wogte hin und her. Nach einer Weile brachen die Dämme auf der Dalissa. Bis auf Skipper Oli wurde die ganze Mannschaft seekrank und das gute Abendessen endete als Fischfutter. Auch auf der Viribus gab es ein, zwei blassere Gesichter, die Konsequenzen waren aber glücklicherweise nicht so weitreichend. Nachdem es wegen des Windes immer schwerer wurde, die Schiffe unter Kontrolle zu behalten, entschied man nach einer kräftigen Böe die Segel zu reffen. Im Nachhinein betrachtet hätte ein früheres Reffen der Segel den Nachtschlag etwas entspannter gestaltet, aber man lernt ja immer dazu.
2. Tag: Sonntag, der 25.10.2020
Die tapferen Crewmitglieder, die die ganze Nacht durchgehalten hatten, wurden am nächsten Tag mit einem malerischen Sonnenaufgang belohnt. Der Regen hatte sich im Laufe der Nacht verzogen und der Wind etwas nachgelassen. Auf der Viribus wurde das Tageslicht dann auch gleich genutzt und der Gennaker gezogen, den wir dieses Mal anders als die Jahre davor extra mit gechartert hatten. Kurz darauf kam es zur ersten Delfinsichtung der Woche. Als genügend wache Hände an Deck waren, hisste auch die Dalissa ihren Gennaker. Ein beständiger Nordwind trug uns unter strahlendem Sonnenschein stetig Richtung Süden. Der arme Florian verbrachte den ganzen Tag seekrank unter Deck. Bis zum Abend konnte man das Nordende des Nationalparks der Kornaten erreichen. Als erster Übernachtungsort diente eine schöne Bucht mit Bojen. Dort konnten alle ermüdeten Segler Schlaf nachholen, ohne dass jemand über Nacht Ankerwache schieben musste.
3. Tag: Montag, der 26.10.2020
Einige begannen die neue Woche mit einer kleinen Wanderung auf den Hügelgipfel der kleinen Insel, an der wir über Nacht lagen. Nach einem stärkenden Frühstück lief man wieder aus, mit Kurs weiter in Richtung Süden. Der Wind hatte inzwischen auf Süden gedreht und deutlich aufgefrischt. Es lag ein herrlicher Segeltag vor uns. Bei Wind mit bis zu 30 Knoten in den Spitzen kreuzten beide Mannschaften den ganzen Tag gegen die Wellen an. Abends erreichten wir den südlichsten Punkt unseres Törns. Die Insel Kaprije sollte uns Schutz vor dem immer stärker werdenden Südwind bieten. Diesen Zweck konnte die Insel leider nur teilweise erfüllen, sodass bei 30-35 Knoten Windgeschwindigkeit die ausgeführten Bojenanlegemanöver eher abenteuerlich wurden. Nachdem alle erfolgreich festgemacht hatten, wurde es ein eher kurzer Abend, da man sich wegen des Windes leider nicht gegenseitig besuchen konnte. Der Aufbruch für den nächsten Tag wurde zudem sehr früh angesetzt. Wir wollten den guten Wind nutzen und möglichst viel Strecke zurück Richtung Norden machen.
4. Tag: Dienstag, der 27.10.2020
Der frühe Aufbruch erwies sich vor allem für die Crew der Dalissa als Glücksfall. Erstaunt musste sie feststellen, dass der Wind zusammen mit der Reibung an der Boje innerhalb von nur einer Nacht ihre nagelneuen Bugleinen fast komplett durchgescheuert hatte. Die erste der beiden war bereits gerissen und von der zweiten war nur noch ein letzter Faden übrig. Entsprechend hastig wurde abgelegt, um das Schicksal nicht noch weiter herauszufordern. Bei nach wie vor sehr starkem Südwind kam man schnell voran. Das Segeln durch die hohen Wellen machte sehr viel Spaß und die Schiffe erreichten Spitzengeschwindigkeiten von über 10 Knoten. Gegen Mittag änderte sich dann die Wetterlage, der Wind ließ nach und es begann zu schütten. Auf der Viribus tat das der Stimmung keinen Abbruch. Die Seemannslieder von Santiano und etwas kühler Hopfensaft aus der Heimat heizten gut ein. Später riss es dann zum Glück wieder auf und es gab erneut Gelegenheit, die Gennaker zu ziehen. Nachdem es nachmittags von Seiten der Dalissa etwas Spott wegen eines kurz eingefallenen Gennakers gab, konnte die Viribus mit einer exzellenten Schlusskreuz die Konkurrenz in die Schranken verweisen. Die Crew der Dalissa wusste sich nur mit einem Motormanöver zu helfen. Für diesen Tag sollte das interne Rennen somit unentschieden Enden. Auch die Stimmung in der kroatischen Inselwelt zeigte sich sehr friedlich an diesem Abend. Einer malerischen Abendröte stand auf der anderen Seite ein bezaubernder Regenbogen gegenüber, den die Sonne mit den letzten Strahlen des Tages erleuchten ließ. Der Übernachtungsort für diesen Abend war eine schöne kleine Bucht an der Insel Zverinac. Später am Abend sollte dann noch ein gewisses Krokodil sein Unwesen treiben… Der ein oder andere Seemann/Seefrau konnte ihm nur knapp entkommen, als es zu später Stunde einen Kieferbruch erlitt. (Kleine Info für alle Krokodil-Liebhaber: Mittlerweile hat es sich einer OP unterzogen und es geht Croco den Umständen entsprechend wieder gut).
5. Tag: Mittwoch, der 28.10.2020
Der Tag begann mit einem kleinen Motorbootrennen auf den Dingis zwischen Michi (Team Viribus) und Severin von den Motorsportfreunden Ammerland (Ausgang unbekannt, beide Protagonisten reklamieren den Sieg für sich, der Rest schlief zu diesem Zeitpunkt noch). Anschließend setzten beide Schiffe ihre Reise zurück Richtung Norden fort. Auf der Kreuz nördlich von Dugi Otok geschah dann das Unglück. Eine Welle verursachte einen kleinen Schlag auf das Schiff und die Genua der Viribus riss am Unterlieg ein. Etwas verwundert war man dann doch, da sie die Tage davor deutlich größeren Windkräften ausgesetzt gewesen war. Aber es half nichts, der Vercharterer konnte uns auf die Schnelle keinen Ersatz beschaffen, sodass die Viribus die restliche Strecke ohne Genua zurücklegen musste. Sichtlich enttäuscht von dieser Einschränkung, segelte man die restliche Strecke des Tages bis nach Ivolik, einer kleinen Insel südlich von Losinj. Dort bekamen wir das erste und einzige Mal festen Boden unter unsere Füße. Der ein oder andere hatte an Land dann auch etwas wacklige Beine, da mittlerweile alle an den Seegang gewohnt waren. Die Gelegenheit wurde genutzt, um die Schiffe mit frischem Wasser zu versorgen. Die Vorräte waren bereits im Laufe des Tages zur Neige gegangen. Außerdem konnte in dem kleinen Ort ein nettes (und noch wichtiger geöffnetes!) Lokal ausfindig gemacht werden. Dort ließ man es sich mit einer ordentlichen Portion kroatischer Hausmannskost, bestehend aus Fisch und Fleisch, gut gehen.
6. Tag: Donnerstag, der 29.10.2020
Am Morgen wurde nochmal der Schaden an der Genua fachmännisch untersucht. Bootsbauer Florian stand hier mit gutem Rat zur Seite. Die gemachten Fotos wurden auch dem Vercharterer geschickt, dessen einzige Reaktion ein Affensmiley mit vor das Gesicht geschlagenen Händen war. Alles in allem sehr hilfreich! Am Ende der Untersuchung beschloss man, wenigstens den unbeschädigten Teil der Rollgenua auszurollen und immerhin mit einem Teil der Segelfläche zu segeln. Bei weiterhin guten Windverhältnissen lief man mit Kurs auf Unije aus. Die Strecke war verhältnismäßig kurz und man nutzte die Gelegenheit, ein weiteres Mal den Gennaker zu setzen. Leider bekam Valentin an diesem Nachmittag schmerzhaft gezeigt wie viel Kraft in so einem großen Segel steckt. Als bei einer Böe der Gennaker kurz schlackerte, bekam er von der Schot einen kräftigen Schlag auf den Finger. Der Finger konnte jedoch fürs erste fachmännisch mit kalten Bierdosen gekühlt werden. Abends ankerte man ein letztes Mal in einer Bucht bei Unije. Die Stimmung war sehr ausgelassen und Roland Kaisers „Santa Maria“ und Santiano gaben sich im Wechsel die Klinke in Hand. Im Takt des „Starnberger See Lied“ wurde auf den Tischen geklopft und so manches Glas musste vor dem harten Sturz auf den Boden bewahrt werden. Am späten Abend wagte Beppo dann noch einen spektakulären Hechtsprung in die kühle Adria. Die Ankerwache wurde sehr ernst genommen und ein kleiner Kern harrte noch bis in die frühen Morgenstunden aus. Zugegebenermaßen lag ihr Fokus nicht nur auf dem Anker…
7. Tag: Freitag, der 30.10.2020
Der Freitag war der einzige Tag, an dem leider gar kein Wind wehen wollte. Ansonsten muss man wirklich sagen, dass wir die Woche über in den Genuss von außerordentlich guten Windverhältnissen gekommen sind. Den aufgrund des sehr fröhlichen Vorabends etwas geplätteten Besatzungen, kam das an diesem Tag aber durchaus etwas entgegen und man legte die letzten Seemeilen nach Istrien unter Motor zurück. Kurz vor dem Hafen wurde die Chance noch einmal ergriffen, einen letzten Badestopp einzulegen. Anschließend kehrte man in den Heimathafen zurück. Bei der Hafeneinfahrt entdeckte dann die Crew der Dalissa ihr Schiff für das nächste Jahr. Es hört auf den Namen „Santa Maria“ und ist eine mehrstöckige Motoryacht.
Tag 8: Samstag, der 01.11.2020
Die Heimreise verlief einigermaßen ereignislos. Den meisten war die kräftezerrende Woche doch anzumerken. Die Woche war sehr schnell vergangen und wie immer zu kurz. Es war, wie die Jahre zuvor auch, eine unglaublich schöne Reise. Von den vielen Erlebnissen wird man sicher noch bei der ein oder anderen Gelegenheit nostalgisch erzählen können.
Unser riesengroßer Dank gilt Olli und Michi, die wieder alles gegeben haben, um diesen Törn möglich zu machen. Dieses Jahr war aufgrund der bekannten Weltlage mit Sicherheit organisatorisch um einiges komplizierter und aufwändiger. Umso mehr freut es uns, dass es trotz Allem geklappt hat und wir hoffen, auch ihr konntet die Zeit genießen!
Ich denke ich spreche für alle, wenn ich sage wir freuen uns schon auf die Fortsetzung dieser liebgewonnen Herbsttradition in 2021.
Schlusserkenntnis des Törns: Gott muss ein Seemann sein und er heißt nicht Santa Maria. 😉
Jonas Schindler